Veröffentlicht von Stephan Heibel am 22.03.2011 um 11:24 Uhr
E10-Diskussionen reißen nicht ab
Die Reaktionen meiner Leser zur Benzin-Debatte reißen nicht ab. Daher habe ich Ihnen hier nochmals unsere Trading-Idee und meine Einschätzung zum E 10 Gipfel vom Anfang des Monats zusammengefasst:
Crop Energies - eine Tradingidee vom 4.3.11
Die Südzucker AG hat für die Produktion von Ethanol eine Tochter ausgegliedert, die Crop-Energies. Nur 22% der Aktien befinden sich im Streubesitz, Südzucker hält 70,5%. Der Handel ist somit dünn, bei der Marktkapitalisierung von 460 Mio. Euro sollten jedoch genug Stücke umgehen, um uns zu bedienen.
Über den Nachrichtendienst dpa wurde Klaus Picard, Präsident des Mineralöwirtschaftsverbandes gestern mit den Worten zitiert, die E10-Einführung werde vorerst gestoppt, „das System platzt sonst“. Anleger schlossen daraus, dass die Nachfrage nach Bioethanol, wovon eben 10% in unser Benzin gemischt werden sollen, einbrechen wird. Die Aktienkurse von Anbietern von Bioethanol wie Verbio (-8,6%) und CorpEnergies (-14,73%) brachen ein.
Zu Unrecht, wie ich meine. Zum einen ist die Einführung des E10 nichts weiter als die Umsetzung einer EU-Verordnung. Das kann die Mineralölwirtschaft nicht einfach stoppen. Und zum anderen produziert gerade CropEnergies bereits an der Kapazitätsgrenze und profitierte kaum vom Nachfrageschub nach Bioethanol durch E10. Bereits die Einführung von E5 hat ausgereicht, um alle Getreidefelder von Crop-Energies für die Bioethanol-Produktion einzusetzen.
Doppelter Verdienst
CropEneriges verdient gleich zweimal am angebauten Getreide: Aus etwa 2,7 Tonnen Getreide wird etwa 1 Tonne Bioethanol gewonnen. Die verbleibenden etwa 1,5 Tonnen Rest werden zu Tierfutter gemacht und verkauft.
Der Getreidepreis ist in den vergangenen Monaten explodiert: Unwetter in Australien sowie eine gestiegene Nachfrage haben den Preis für Weizen beispielsweise um 4,25 auf bis zu 9,17 USD/Scheffel nach oben getrieben.
Im Kielwasser des weltweiten Getreidepreisanstiegs hat sich auch der Aktienkurs von CropEnergies von 3 auf 6,50 Euro mehr als verdoppelt. Da war die Einführung des E10 Benzins nur noch ein Zusatz, der für gute Stimmung sorgte. Der Verdienst jedoch wird durch den Preis für Getreide auf den Weltmärkten definiert, die Produktionsmenge von den verfügbaren Anbauflächen.
Ein stoppen der E10-Einführung hätte also nur eine sehr geringe Auswirkung auf CropEnergies.
EU-Verordnung wird umgesetzt
Die Kritik von Klaus Picard richtet sich ausschließlich an die mangelhafte Informationspolitik bei der E10-Einführung. Autofahrer tanken aus Verunsicherung darüber, ob ihr Auto E10 verträgt, lieber andere Benzinsorten. Zu Recht, wie Ihr Autor feststellen musste: Unser Golf mit FSI-Motor gehört zu den wenigen Modellen, die offensichtlich kein E10 vertragen. Wenn selbst beim Massenfahrzeug Golf Probleme auftreten können, und die Probleme sollen sehr gravierend sein, dann kann ich die Vorsicht der Autofahrer verstehen.
Meine Anfragen bei VW, telefonisch sowie schriftlich, bleiben übrigens seit nunmehr 5 Tagen unbeantwortet. Auch hier zieht sich die mangelhafte Informationspolitik durch.
Doch ungeachtet dessen wird E10 kommen, denn wir werden in Deutschland eine Mindestmenge von Bioethanol verbrauchen müssen. Wenn nun die Einführung nicht so reibungslos verläuft, wie sich das Politiker und Mineralölwirtschaft gewünscht hätten, so wird die Einführung jedoch nicht in Frage gestellt.
Kurseinbruch völlig übertrieben
Der Kurseinbruch um 14,73% ist also meines Erachtens völlig überzogen. Ich kann mir gut vorstellen, dass CropEnergies bis Mitte nächster Woche den Großteil des Kursverlustes wieder gut macht.
Wer also eine sehr kurzfristige Spekulation eingehen möchte, ohne sich mit den fundamentalen Daten des Unternehmens weiter zu beschäftigen, der kann heute zu Börsenbeginn versuchen, ein paar Aktien von CropEnergies zu Kursen bis 5,65 Euro zu kaufen. Bis Ende nächster Woche dürfte der gestrige Kurseinbruch meiner Einschätzung nach ausgeglichen sein.
Nun ruft Brüderle alle Beteiligten zu einem „Benzin-Gipfel“ zusammen. Das ist bereits das erste Zeichen, dass die gestrige Reaktion übertrieben und ungerechtfertigt war. Die Kurse dürften also bereits recht schnell wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückschnellen.
E10-Gipfel - Update vom 8.3.2011
Der „Benzin-Gipfel“ gipfelte im lobenden Schulterklopfen aller
Beteiligten, in der gemeinschaftlichen Feststellung, den
deutschen Autofahrer falsch eingeschätzt zu haben und der
Willensbekundung, nun gemeinsam die E10-Einführung
voranzutreiben. Für unsere Spekulation (Tradingidee #3 vom
vergangenen Freitag), die aufgrund der Verunsicherung, die am
Wochenende nur noch weiter geschürt wurde, schon wieder unter
unser Einstiegsniveau gerutscht war, ist das Ergebnis des
Gipfels positiv, der Kurs beginnt nun zu klettern. Die
Einführung wird vermutlich langsamer vonstatten gehen (aus
Gründen, die ich gleich aufzeigen werde) als geplant. So wird
die Kurserholung vielleicht auch nicht wenige Tage, sondern
wenige Wochen in Anspruch nehmen.
Setzen wir einmal unsere Finanzmarktbrille auf, die alles außer
Geld und Macht ausblendet, um die Situation zu analysieren. Ich
bin zu folgendem Ergebnis gekommen: Einziger Profiteur der
hohen Super-Benzinpreise ist die Mineralölwirtschaft. Doch
welchen Anreiz hat die Politik der Mineralölwirtschaft gegeben,
die E10-Einführung zu unterstützen, durch die Ölkonzerne 10%
weniger von ihrem Benzin verkaufen und zusätzlich Bioethanol zu
einem politisch gemachten Preis zukaufen müssen? Warum also
sollte die Mineralölwirtschaft mit Begeisterung für E10
eintreten?
Nun, sie hat es eben auch nicht getan. Das Umweltministerium
hat es getan und hat sogar mit dem ADAC eine
Aufklärungskampagne gestartet. Diese lief jedoch an den
Tankstellen vorbei und erreichte somit nicht ihr Ziel. Das
Bitten des Umweltministeriums, die Informationen an den
Tankstellen auszulegen, lief ins Leere. Welches Druckmittel
hatte es? Keines.
Welches Interesse hatte der ADAC, möglichst einfach und schnell
Klarheit zu schaffen? Eigentlich auch keines, denn in der
Position des größten unabhängigen Aufklärers für Autofahrer
kommt es dem ADAC nur gelegen, wenn der deutsche Autofahrer
händeringend nach verlässlichen Informationen sucht. Das ist
öffentlichkeitswirksam und eine leichte Möglichkeit, sich am
heutigen Tage als verlässliche Informationsquelle zu
profilieren.
Hätte Umweltminister Röttgen also Alarm schlagen müssen? Ich
denke schon. Nun sind Umweltministerium und Mineralölwirtschaft
traditionell nicht die besten Freunde, im Gegenteil. So war es
von Wirtschaftsminister Brüderle nicht nur politisch geschickt,
sondern vielleicht auch sinnvoll, die Federführung für den
Benzingipfel zu übernehmen. Ein einleitender Satz wie „Liebe
Ölkonzerne, bitte verarscht meinen Freund und Ministerkollegen
aus dem Umweltministerium nicht, sonst werde ich
ungemütlich...“ hat vermutlich schon gereicht, um die Einigkeit
aller Beteiligten zu erzeugen.
Was ist eigentlich das Interesse der Automobilkonzerne? Sie
wurden im Vorfeld gedrängt, ihre Motoren für die E10-
Tauglichkeit vorzubereiten, und nun müssen sie sogar eine
Garantie dafür aussprechen. Dadurch stehen sie nun in der
Pflicht, für die Tauglichkeit der zugelassenen Motoren gerade
zu stehen. Und dort, wo sie die Tauglichkeit nicht bescheinigt
haben, dürfen sie sich auf erboste Briefe ihrer Kunden freuen.
Auch Ihr Autor ist ziemlich überrascht, dass sein VW-Golf mit
„modernem“ FSI-Motor nicht E10-tauglich ist.
Doch ein bisschen in Schutz nehmen muss ich dennoch alle
Beteiligten, denn das Verhalten der deutschen Autofahrer ist,
wenn auch nicht überraschend, so doch zumindest untypisch im
europäischen Vergleich. In Deutschland ist Aldi groß geworden,
weil der Deutsche beim täglichen Einkaufen ein paar Euro
(damals Mark) sparen konnte. Die Schulmedizin steht in
Deutschland mit den Naturheilkundlern auf Kriegsfuß, und so
konnte das Handy seinen Siegeszug in Deutschland vollziehen,
ohne dass wissenschaftliche Studien glaubwürdig die
Unbedenklichkeit der Strahlung belegt hatten.
Für das Stillen von Neugeborenen wurde unlängst von der
Schulmedizin die empfohlene Zeit von 6 auf 4 Monate reduziert,
obwohl zu verfrühte Fütterung mit Milchprodukten später
Allergien fördert, wie Naturheilkundler seit langem behaupten.
Dennoch stillen die meisten Mütter nunmehr schon nach vier
Monaten ab (wenngleich sodann „hypoallergene“ Milchprodukte
genommen werden, die also nicht die negativen Wirkungen
enthalten). Bei Schnullern wie auch in den Plastikflaschen sind
noch immer Weichmacher, die auf Dauer zu Gesundheitsschäden
führen können. Doch auch hier greifen die Deutschen eher zu den
günstigen Produkten, als die unbedenklichen, dafür aber
teureren Lösungen zu akzeptieren.
Doch beim Auto, da wird im Zweifel lieber Super Plus getankt,
damit der Motor ja keinen Schaden nimmt. Musste die Politik mit
einem solchen Verhalten rechnen? Nun, wer Deutschland einmal
von außen betrachtet hat, der würde sagen: Ja.
So wird es wohl noch einige Wochen dauern, bis E10
flächendeckend eingeführt ist. In dieser Zeit wird sich die
Boulevardpresse immer wieder zu Wort melden mit Artikeln wie
„Brot für unsere Autos“ oder „Brandrodung im Amazonas für E10“,
obwohl 90% des Bioethanols in Europa hergestellt werden und
obwohl solche reißerischen Artikel einzelne Detailprobleme zur
Massenhysterie heraufkochen, dabei aber die grundsätzlichen
Vorteile des Bioethanols vertuschen.
Update 22.3.: Die zu erwartende Hungersnot wird den Druck gegen E10 weiter erhöhen, CropEnergies daher unter Druck. Zu Unrecht, wie ich noch immer meine, denn CropEnergies ist voll ausgelastet und lediglich die Preisentwicklung wird den Gewinn beeinflussen - nicht die Entscheidung ob E10 oder ob nicht. Und die Preisentwicklung zeigt nach der Japan-Katastrophe um so mehr nach oben.
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Stephan Heibel
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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