Liebe Börsenfreunde,
an Halloween habe ich Supermario gespielt. Zum Abschied des EZB-Chefs habe ich mich einmal in seine Situation versetzt und so gehandelt, wie er es über acht Jahre lang getan hat. Und ich muss sagen: Es hat sehr viel Spaß gemacht.
Ich habe mir vorgestellt, die Kinder, die bei uns kostümiert geklingelt haben, sind Politiker. Und die Süßigkeiten, die ich verteilt habe, sind Euros. Über zweihundert Euros habe ich verteilt: Jeder Politiker, der klingelte, durfte in meine Schale mit Euros greifen. Jeder.
Da war es mir egal, ob sich die Politiker Mühe gegeben hatten, oder nicht. Die fantastischsten Darbietungen habe ich zu hören bekommen: Mehrstimmige Grusellieder, lange Gedichte, tolle Kostüme. Fantastisch, was einzelne Politiker auf die Beine gestellt haben.
Es gab aber auch Politiker, deren Kostüm war eher spärlich. Und viele kamen über den Spruch "Süßes oder Saures" nicht hinaus. Es gab sogar Kinder, die gar nicht zu unserer Nachbarschaft gehörten, … ups, ich meine Politiker, die gar nicht zur EU gehören. Auch die durften in meine Schüssel mit Euros greifen. Jeder! Sie glauben gar nicht, wie gut es sich anfühlt, so großzügig zu sein.
Viele Politiker wurden von der arbeitenden Bevölkerung (Eltern) begleitet. Die arbeitende Bevölkerung blieb im Hintergrund, die Politiker wurden meist alleine in den Vorgarten geschickt. Und manchmal, wenn ich zu schnell die Schüssel mit den Euros hervor holte, hörte ich aus dem Hintergrund: "Na, dass sollte aber nochmal etwas besser vorgetragen werden".
Aber was kümmerte mich die arbeitende Bevölkerung, ich wollte bei den Politikern beliebt sein. Und daher habe ich die Schüssel dennoch gleich hingehalten. Die nächsten Politiker warteten schon. Stellen Sie sich mal vor, wie viel zu tun ist, wenn innerhalb von ca. anderthalb Stunden 200 Politiker etwas bekommen wollen.
Ist es mein Mandat, den Kindern beizubringen, ein ordentliches Gedicht oder Liedchen vorzutragen? Nein, ganz und gar nicht. Rechtlich gesehen habe ich mich also innerhalb meines Mandats bewegt. Erziehung ist Sache der arbeitenden Bevölkerung. Wenn die arbeitende Bevölkerung mit den Politikern der etablierten Volksparteien nicht zufrieden ist, muss sie die Politiker besser erziehen.
Viele Eltern schieben heute einen Großteil der Erziehung auf die Lehrer ab. Die arbeitende Bevölkerung schiebt die Erziehung der Politiker auf … auf … ja, da gibt es niemanden. Da wird der verzogene Politiker lieber verstoßen und man wählt sich eine Alternative, egal ob links oder rechts. Hier endet der Vergleich mit den Kindern, denn das eigene Kind kann man (zum Glück) nicht so einfach verstoßen oder austauschen. Die Familie bleibt Familie, auch wenn unangenehme Probleme gelöst werden müssen.
Die Moral von der Geschicht: Jedes Volk bekommt die Politiker, die es verdient. Wer über Politiker oder über politisch engagierte Mitbürger meckert, der sollte sich überlegen, ob er nicht sein eigenes politisches Engagement verstärken sollte, um unsere Gesellschaft im eigenen Sinne zu formen. Das nennt man Patriotismus im positiven Sinne. Doch der ist in Deutschland mit einem negativen Beigeschmack versehen, deswegen fehlt's an dieser Stelle.
Eine erfolgreiche Börsenwoche und take share
Ihr Börsenschreibel Stephan Heibel
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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