Hallo Herr Heibel, im letzten Heibel-Ticker schrieben Sie: "Da nun Aktien verkauft werden können, die man gar nicht besitzt, besteht die Gefahr, dass durch ein plötzliches Auftreten von Leerverkäufern mehr Aktien verkauft werden, als angeboten werden. " Versteh ich nicht. Den angebotenen Aktien ist doch nicht anzusehen, ob sie aus Eigenbesitz stammen oder ob sie zum Zweck des short selling ausgeliehen sind. Bei den im Zuge des short selling angebotenen Papieren handelt es sich also nicht um ein fiktives Angebot. Das Angebot umfasst also beide Varianten, oder? Das Problem besteht doch darin, dass ein Leerverkäufer Papiere verkauft, während ein Besitzer die Situation aussitzenwürde. Und zur Katastrophe kommt es dann, wenn die Besitzer die Nerven verlieren und auch verkaufen. Dann beginnt die Abwärtsspirale. Im anderen Fall kommt es zu einem short squeeze und die shorties sind die Gelackmeierten. Vor zwei oder drei Ausgaben des Tickers erklärten Sie den Einfluss gehebelter Immobilienkredite auf die Immobilienkrise. Sie schrieben sinngemäß, dass durch Zwangsversteigerungen jeden Monat knapp 30 Mrd. USD den Bach runtergingen. Wegen des Hebelfaktors von ca. 10 würde dies aber zu einem Verlust von 300 Mrd. USD führen. Die Argumentation raff' ich nicht. Die 30 Mrd. sind doch der GESAMTE Verlust - einfach die Kohle, die sich monatlich in Nichts auflöst, als Differenz zwischen dem Buchwertt der Objekte (so wie er bei den Banken in den Büchern steht) und dem bei der Versteigerung realisierten Wert. Dieser Betrag sollte sich dann 1:10 aufspliten in 3 Mrd. USD Eigenkapital der Hypothekenbanken und 27 Mrd. USD, die die Hypothekenbanken von anderen Instituten, etwa Lehman Brs., als Kredit aufgenommen haben. Diesem Betrag steht nach der Verteigerung keine Sicherheit mehr gegenüber; aus der Hypothek ist etwas geworden, was eher einem Konsumentenkredit entspricht. Und dafür verlangt das kreditgebende Institut dann logischerweise Ersatzsicherheiten, die die Hypothekenbank - ebenso logischerweise - nicht bieten kann. Und dann ham wir den Schlamassel. Woher sollten diese monatlichen Verluste von 270 Mrd. USD kommen? Wer konkret hat diese Verluste? Oder liegt bei mir irgendwo ein Denkfehler vor? Dann noch eine dritte Sache. Die ist uralt - ich glaub' Sommer 2007. Sie verglichen damals die Rendite von Anleihen und Aktien, um die Attraktivität der beiden Anlageformen miteinander in Beziehung zu setzen. Was unter der Rendite einer Anleihe zu verstehen ist, ist klar. Als Rendite einer Aktie definierten Sie den Gewinn des Unternehmens, so dass man Aktien und Anleihen über ihre jeweiligen KGVs vergleichen kann. Hmmm - die Rendite der Anleihe krieg' ich bar auf die Kralle ausbezahlt (+ / - abzjüglich Steuern und falls die Klitsche nicht über'n Jordan geht), aber nicht den Gewinn des Unternehmens. Da seh' ich nur die Dividende. Sollte man also nicht eher die Dividende als Rendite einer Aktie betrachten? Natürlich ist der Gewinn eine reale Größe und sollte (wenn alles seriös zugeht) den Unternehmenswert und damit den Aktienkurs steigern. Aber da gibt's ja noch 'ne ganze Menge anderer Einflussfaktoren. Auf jeden Fall ist das der Schnee von übermorgen und nicht der, der grade fällt (wie die Anleihenrendite). erliegt hier auch 'n Denkfehler meinerseits vor? Wenn Sie irgendwann die Zeit finden, diese Unklarheiten zu beseitigen, dann tun Sie was für die Bildung eines einfachen Chemikers. Dafür herzlichen Dank! Mit freundlichen Grüßen, Edgar aus Erbendorf ANTWORT: zu 1.: Jede Bank darf nur für ihre Kunden so viele Aktien leerverkaufen, wie sich auch als Long-Positionen in Margin-Konten befinden. Mehr Aktien, als ausleihbar im Bestand der Bank, dürfen nicht leerverkauft werden. Diese Vorschrift wird jedoch nicht kontrolliert, so dass es bei den Banken und Brokern Usus geworden ist, diese Kontrolle gar nicht mehr durchzuführen. Somit ist es heute in der Praxis möglich, dass mehr Aktien leerverkauft werden, als sich im (Margin-)Bestand befinden. zu 2.: Sie haben Recht, da habe ich den Hebel in die falsche Richtung angewandt ;-) Ein Verlust von 30 Mrd. USD bedeutet lediglich 3 Mrd. USD Verlust an Eigenkapital. zu 3.: Es gibt ja auch Anleihen, die Zinsen akkumulieren und am Ende auszahlen, sofern der Gläubiger dann noch solvent ist. Genauso würde ich die Gewinne von Unternehmen sehen. Die werden akkumuliert und arbeiten weiter. Es ist dann Sache der Aktionäre Einfluss auf die Höhe der Ausschüttung, sprich Dividende, zu nehmen. Wenn man dem Unternehmen zutraut, den Gewinn weiterhin gewinnbringend einzusetzen, dann soll der Gewinn doch akkumuliert werden, oder? Ich würde das also bei der Renditebetrachtung einbeziehen. Ihre Vorsicht, dass der Gewinn, der im Unternehmen bleibt, morgen schon durch den Schornstein gejagt werden kann, basiert wahrscheinlich auf der Schwarzmalerei über die ach so schlechten Manager der heutigen Zeit. Ich denke, diese Schwarzmalerei ist übertrieben, viele Unternehmen agieren verantwortungsvoll. Doch von denen spricht man kaum. {weiter[40|9]}
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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