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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 12.10.2021 um 10:25 Uhr

Darum sind steigende Zinsen schlecht für Wachstumsunternehmen und Technologiewerte

Ein Leser fragte mich nach dem Effekt des ”Abdiskontierens” auf Wachstumstitel: Die Argumentation kann man gerne von links, aber auch von rechts einleiten. Ich zeige in der folgenden Leserfrage, welchen Blickwinkel Analysten auf die Bedeutung des Zinsniveaus für Wachstumsaktien haben.

Der Effekt der Abdoskontierung künftiger Cashflows

LESERFRAGE

"Guten Tag Herr Heibel,

ich verstehe eine Aussage von Ihnen nicht. Ihre Aussage passt aber zur aktuellen Entwicklun­g vieler Wachstumsw­erte, bezogen auf den Bewertungs­abschlag. Sie und der Markt gehen scheinbar davon aus, dass Wachstumsw­erte künftig höhere Kosten durch steigende Zinsen haben werden. Viele Wachstumsw­erte benötigen aber überhaupt keine Kredite, die haben selbst genug cash. Außerdem entwertet doch die Inflation ebenfalls Kredite und Kreditkost­en, was dann wieder gut für Wachstumsw­erte wäre, wenn ich mich denn auf diese Argumentat­ion einlasse?

Ich selbst habe Hello fresh und Westwing im Depot. Beide Firmen haben bereits schon jetzt hohe Cashflows, sind nicht vom Chip-Mange­l betroffen und auch hier kann man höhere Kosten weitergebe­n.

Die grundsätzl­iche Auffassung­, wonach alle Wachstumsu­nternehmen­ bei steigenden­ Zinsen einen Risikoabsc­hlag verdienen, ist daher für mich nicht nachvollziehbar. Sie sagen das ja klar vor dem Hintergrun­d der Cashflows,­ die erst später kommen. Wo besteht da jetzt der Zusammenha­ng zu den vielen Wachstumsu­nternehmen­ im Online-Ber­eich, die ja gerade wegen der hohen Margen und Cashflows so gefragt sind?

Klar gibt es gerade in den USA hochbewert­ete Tecs, deren hohe Wachstunsr­aten in sehr hohen KUVs von 5-10 vorweggeno­mmen wurden und die aktuell extrem investiere­n und daher kaum oder gar keine FreeCashfl­ows erwirtscha­ften. Nur was hat das mit extrem günstigen Unternehme­n mit hohen Cashflows wie Westwing, sehr günstiger Marketingi­dee und wenig Capex zu tun? Übersehe ich etwas?

Mit freundlichen Grüßen

Micha aus Bützow"

ANTWORT

Gute Frage :-) Sie vergessen einen kleine, aber wichtigen Punkt: 200 Euro im Jahr 2021 sind mehr wert, als 200 Euro im Jahr 2022. Wenn ich die Wahl habe, meinen Heibel-Ticker Abo heute für 200 Euro zu verkaufen, dann ist mir das lieber, als wenn ich die 200 Euro erst in einem Jahr erhalte.

Denn die 200 Euro, die ich heute erhalte, kann ich schon anlegen und erhalte bspw. Zinsen darauf. In den vergangenen Jahren des Nullzinsumfeldes war das nicht ganz so dramatisch, wenn man das Geld erst später erhalten hat. Doch wenn das Zinsniveau nun steigt, dann sind die 200 Euro von heute immer mehr wert. Oder anders herum: Bei 4% wären meine 200 Euro, die ich heute erhalte, in einem Jahr schon 208 Euro. Bei 6% sogar schon 212 Euro.

Wenn wir Unternehmen bewerten, dann rechnen wir rückwärts. Ein Unternehmen, das uns verspricht, im Jahr 2030 100 Mio. Euro Umsatz zu machen, heute aber noch nichts verdient, müssen wir mit einem Zeitwertabschlag versehen. Man nennt das, künftige Cashflows werden „abdiskontiert“. Und je höher das Zinsniveau, desto heftiger fällt dieser Abschlag aus.

Ein guter Ansatz, einen fairen Wert für ein Unternehmen auszurechnen, ist, die in der Zukunft erwarteten Cashflows auf den heutigen Tag abzudiskontieren. Je stärker ein Unternehmen wächst, desto größer wird der Anteil der in der Zukunft liegenden Cashflows. Und diese künftigen Cashflows spielen bei Wachstumsunternehmen eine anteilig wichtigere Rolle in der Bewertungsberechnung, als bei Unternehmen, die heute schon hohe Cashflows hat, die nicht abdiskontiert werden müssen.

Im laufenden Jahr verfügt Hellofresh bspw. über einen erwarteten Cashflow von 2,59 Euro je Aktie. Bei einem Aktienkurs von aktuell 80 Euro beträgt das Verhältnis Kurs/Cashflow 80/2,59 = 31. Schon im nächsten Jahr soll der Cashflow auf 3 Euro steigen, das Verhältnis sinkt dann auf 27. Nehmen wir also an, Analysten empfinden derzeit ein Kurs/Cashflow-Verhältnis von 27 als fair.

Wenn nun die 3 Euro der Zukunft mit einem Zins von 4% abdiskontiert werden müssen, sind die 3 Euro plötzlich nur noch 2,88 Euro wert. Das Verhältnis würde auf 28 steigen, wäre also höher als die für fair empfundenen 27.

Bei der Wertberechnung für ein Unternehmen werden die abdiskontiert Cashflows der einzelnen Jahre zusammen gerechnet und je höher der Anteil der Cashflows in der Zukunft, desto größer der Effekt der Abdiskontierung.

Ein weiterer Kunde spricht mich auf Festkörperbatterien an. Meine Antworte lesen Sie in Kapitel 06 meiner aktuellen Heibel-Ticker Ausgabe 21/40. Zudem beinhaltet meine aktuelle Ausgabe folgende Themen:

Nun haben wir doch die 15.000 Punkte im DAX noch unterschritten. Dem Schock folgte die Erleichterung, denn neue Abwärtsdynamik tat sich dadurch nicht auf. Es bleibt spannend, die Richtungsentscheidung steht noch immer aus.

In Kapitel 02 zeige ich Ihnen heute kurz auf, welche Faktoren für die aktuelle Verunsicherung verantwortlich sind.

Die Stimmung hat sich beruhigt: Nachdem wir vor einer Woche extreme Niedergeschlagenheit gemessen hatten, füllte sich in dieser Woche das Lager der neutral eingestellten Anleger. Was das für die Zukunft bedeutet, lesen Sie in Kapitel 03.

Das Kapitel 04 gibt einen kurzen Ausblick über unsere Portfoliostrategie. Ich thematisiere dort auch Nynomic, eine meiner Lieblingsaktien, die jedoch durch meine Erwähnungen hier im Heibel-Ticker stets Sprünge vollzieht, die eine seriöse Kauf- oder Verkaufsempfehlung vereiteln. Schade, aber mir ist es wichtiger, dass alle Kunden meine Ideen für sich umsetzen können, als Ihnen in zwei Jahren von einer tollen Empfehlung vorzuschwärmen, die keiner mitmachen konnte.

Wir haben den Ausverkauf dieser Woche zum Zukauf einiger Aktien genutzt. Die Details dazu lesen Sie in den Updates in Kapitel 05.

Ein Kunde fragte mich nach dem Effekt des ”Abdiskontierens” auf Wachstumstitel: Die Argumentation kann man gerne von links, aber auch von rechts einleiten. Ich zeige in der heutigen Leserfragen, welchen Blickwinkel Analysten auf die Bedeutung des Zinsniveaus für Wachstumsaktien haben. Ein weiterer Kunde spricht mich auf Festkörperbatterien an. Meine Antworten Lesen Sie in Kapitel 06.

Wie immer gibt es eine tabellarische Übersicht über unser Portfolio in Kapitel 07. Ich bin aktuell überaus zufrieden, wie wir durch die nervenaufreibende Phase der seichten Abwärtswellen gekommen sind. Doch Vorsicht: Zufriedenheit ist gerne mal ein Vorläufer des Irrtums.

Nun wünsche ich eine anregende Lektüre,

take share, Ihr Börsenschreibel

Stephan Heibel

Weiter zur Ausgabe 21/40: https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1911

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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