Einen kleinen Ausblick auf das Jahr 2022 gebe ich jetzt schon: Die vier dominierenden Themen werden uns auch im kommenden Jahr noch beschäftigen … Doch zwei davon sind Kaufgelegenheiten, während die beiden anderen eher als schwarzer Schwan zu betrachten sind. Ich erläutere, wie ich unser Portfolio auf diese Entwicklungen vorbereiten werde.
Seit April pendelt der DAX zwischen 14.800 und 16.000 Punkten. Da ist es doch leicht, das Portfolio aufzustocken, wenn wir uns der unteren Unterstützung nähern und auszulichten, wenn es Richtung 16.000 geht, oder? Leider nein: Ich habe mich genau andersherum verhalten, und ich erkläre Ihnen warum:
Solange wir innerhalb der Bandbreite sind, lässt sich für uns langfristig orientierte Anleger nur wenig Geld verdienen. Im April stand unser Portfolio bereits bei +10%, heute sind es +12%. Hätten wir oben verkauft und unten gekauft, dann wäre unsere Jahresperformance deutlich besser. Doch wir wären damit zwei Risiken eingegangen, die ich nicht eingehen möchte:
Zum einen waren die vielen Rallyes in Richtung 16.000 durchaus von fundamentalen Gründen getragen: Die Konjunktur erholt sich, es gibt Nachholeffekte und kein Mensch weiß, wie weit uns diese Rallye noch tragen wird. Insbesondere die großen Konzerne sind günstig bewertet und könnten noch deutlich höher fliegen, das möchte ich nicht verpassen. Außerdem gibt es einige Unternehmen, die säkulare Wachstumstrends nutzen, für die also Corona oder auch eine Inflation nur Stolpersteine auf dem Weg zu höheren Kursen sind.
Wenn wir also bei 16.000 Punkten im DAX zu wenige Aktien im Depot haben, laufen wir anschließend der Rallye hinterher.
Auf der anderen Seite gab es immer wieder Rückschläge: Spannungen zwischen China und den USA um Taiwan, Spannungen zwischen Russland und … eigentlich Europa, aber de facto den USA um die Ukraine, Lieferkettenprobleme, in die Höhe schießende Rohstoffpreise und natürlich die Delta-Mutation, die uns zeigte, dass die Pandemie in diesem Sommer eben doch noch nicht besiegt wurde. Immer wieder sackte der DAX daher unter 15.000 Punkte und es drohte ein Crash.
Damit wir von einem Crash nicht auf dem falschen Fuß erwischt würden, habe ich unser Portfolio unten häufig ein wenig ausgelichtet. Erst im Herbst, als ich mir irgendwie sicher war, dass ein Crash nicht folgen wird, habe ich unser Portfolio ganz unten voll gemacht. Eigentlich, so dachte ich, müsste ein Lauf bis 16.500, und danach im kommenden Jahr noch weiter folgen.
Nun, Omikron hat mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. Und einmal mehr schweben mehrere Damoklesschwerter über den Aktienmärkten. Wir müssten je nach Nachrichtenlage unser Portfolio fast täglich anpassen, um die jeweiligen Meldungen in unserer Portfoliostruktur zu berücksichtigen.
Doch ich möchte nicht mit hektischen Aktionen in der besinnlichen Vorweihnachtszeit übertriebenen Aktionismus verbreiten. Grundsätzlich gehe ich weiterhin davon aus, dass wir mindestens bis ins kommende Frühjahr weiterhin steigende Kurse haben werden. Für diesen Fall sind wir bestens positioniert, unsere Cashquote steht bei gerade einmal 6%.
Sollte eines der vier Damoklesschwerter niederrauschen, müssen wir eine wichtige Unterscheidung vornehmen: Korrektur oder Trendwechsel.
Eine Korrektur ist normal im Rahmen einer Rallye, findet immer wieder statt und konsolidiert die zuvor erzielten Kursgewinne. Korrekturen können unterschiedlich stark ausfallen, dauern jedoch meistens nur wenige Tage.
Ich denke, wenn die Kurse aufgrund der Corona-Pandemie oder auch aufgrund negativer Inflationsdaten in den Keller rauschen, dann haben wir eine Korrektur, die wir für Käufe nutzen können. Weder die Corona-Pandemie, noch die Inflationsangst ist neu oder überraschend. Daher haben diese beiden Damoklesschwerter nicht das Zeug, einen heftigeren Crash oder gar Trendwechsel, also das Ende der Rallye, einzuläuten. Dafür würde etwas Überraschendes, ein schwarzer Schwan, benötigt.
Sollte der Konflikt um die Ukraine jedoch eskalieren, ist Europa nicht handlungsfähig, die USA konzentrieren sich auf China und vertreten in der Ukraine US-Interessen, nicht europäische Interessen. Das wäre für uns hier in Europa eine Situation, auf die wir nicht vorbereitet sind.
Ebenso wenig wäre eine Eskalation im Konflikt um Taiwan etwas, auf das sich die USA ausreichend vorbereitet haben. Eine militärische Auseinandersetzung (=Krieg) kann niemand wollen, doch die diplomatischen Bemühungen laufen derzeit ins Nichts. Und dann stellen Sie sich vor, Russland und China sprechen sich ab, sie haben ja gemeinsam den gleichen Feind (USA), und schüren zeitgleich die beiden Konfliktherde.
Da haben Sie schon meinen Jahresausblick: Diese vier Themen werden uns auch im kommenden Jahr begleiten. Solange es ruhig bleibt in der Ukraine und in Taiwan werden die Aktienmärkte nach oben klettern. Ich gehe davon aus, dass sich nach den Rohstoffpreisen auch die Lieferketten wieder normalisieren. Der Nachholeffekt beim Konsumenten wurde durch knappe Güter ins Jahr 2022 verlängert und dürfte meiner Einschätzung nach insbesondere im Einzelhandel für volle Kassen sorgen.
Während Corona hoffentlich an Bedeutung verlieren wird, dürfte die Inflation an Bedeutung gewinnen: der Beweis steht noch aus, dass der Inflationsdruck nur vorübergehend war. Es dürfte spannend werden, denn je länger Corona wütet, desto länger dürften die Lieferkettenprobleme für knappe Güter und dadurch hohe Preise (=hohe Inflation) sorgen. Irgendwann werden diese hohen Inflationsraten dann zu Begehrlichkeiten bei den Lohnverhandlungen sorgen.
Wenn dann die Inflation auf das Lohnniveau überspringen sollte, dann setzen wir den Anfang einer gefährlichen Aufwärtsspirale. Für die Notenbank ist es also nicht nur wichtig, die Inflation als vorübergehend auszuweisen, sondern das muss möglichst zeitnah geschehen, damit die Lohn-Preis-Spirale nicht in Gang gesetzt wird.
Es dürfte noch ein paar Monate dauern, bis wir das absehen können. Bis dahin bleibe ich dabei, dass erschreckende Inflationszahlen als Auslöser eines Ausverkaufs an den Aktienmärkten von uns genutzt werden sollten, zuzukaufen.
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