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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 17.02.2022 um 09:12 Uhr

Lucky Luke Methode für Goodyear Tire und Devon Energy

Liebe Börsenfreunde,

Kaum hatte ich Dienstag Mittag auf den „Senden“-Knopf gedrückt, kamen die Meldungen über den Abzug russischer Panzer aus der Grenzregion zur Ukraine. Ein solcher Konflikt endet aber nicht mit einem plötzlichen Sinneswandel eines Akteurs (Putin), sondern ist in der Regel komplexer. Ich habe daher nicht wenige Minuten später das nächste Update verschickt.

Und wie nicht anders zu erwarten, hat gestern der Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündet, dass Fernsehbilder von Panzertransporten noch kein ausreichender Beleg für eine Entspannung seien: Noch immer sei Russland in der Lage, jederzeit in die Ukraine einzumarschieren. Bewegungen von Material in beide Richtungen seien normal und Stoltenberg wartet daher auf eine Bestätigung durch Satellitenbilder, also Nato-eigene Quellen.

Gestern haben sich in meinem Kopf zwei wesentliche Dinge geändert: Erstens habe ich nach der Eskalation am Wochenende das Gefühl, dass wir vorerst ein Zenit der Kriegsangst überschritten haben. Zum zweiten habe ich den Eindruck, dass wir vorerst den Zenit der Zinsangst überschritten haben.

Gefühl und Eindruck sind nicht unbedingt die Argumente, die Mathematiker gelten lassen. Doch die Finanzmärkte handeln die Zukunft, und darüber gibt die Mathematik, wenig Auskunft. Daher lege ich stets einen Schwerpunkt meiner Analysen auf das Sentiment.

Wie am vergangenen Freitag gezeigt, signalisiert auch der 5- Wochendurchschnitt unseres animusX-Sentiments einen Extrempunkt. Daraus können wir ableiten, dass wir dem Tief näher sind, als dem nächsten Hoch. Oder anders ausgedrückt, kurzfristig kann es natürlich immer wieder zu Rückschlägen kommen, doch tendenziell dürften die kommenden Wochen, vielleicht sogar bis in den April hinein, eher positiv verlaufen.

Denn derzeit sind die schlimmsten Befürchtungen an den Aktienmärkten eingepreist: Ein Einmarsch der Russen in die Ukraine würde für gestern vorhergesagt, fand offensichtlich jedoch nicht statt.

Und in Sachen Inflation ist die Gefahr nicht die Inflation selbst, die wir seit vielen Monaten beobachten, sondern eine gegebenenfalls machtlose Notenbank.

Am Wochenende hat US-Notenbankmitglied James Bullard gesagt, das Leitzinsniveau werde vielleicht bis zum 1. Juli bereits um 1% ansteigen. Das würde einen Zinsschritt von 0,5% im März bedeuten, und danach weitere zwei Schritte zu jeder Notenbanksitzung. Mehr geht nicht und nun hat man an den Märkten nicht mehr die Angst, die US-Notenbank könne die Inflation unterschätzen, sondern nun hat man Angst vor einem Abwürgen der Konjunktur.

Und genau die Angst vor einem Abwürgen der Konjunktur belastet die Aktienkurse. Inflation allein belastet den Aktienkurs nicht, im Gegenteil: Steigende Preise werden an die Kunden durchgereicht, nach den Rohstoffpreisen steigen die Löhne, was wiederum den Kauf der Produkte zu höheren Preisen ermöglicht und so werden auch die Aktienkurse angekurbelt. Angst hat man also nur vor einer restriktiven Geldpolitik seitens der Notenbanken.

Und mit der Aussage von Bullard wurde diese berechtigte Angst meines Erachtens nun in aller Offenheit adressiert. Schlimmer kann‘s nimmer, würde ich meinen.

Also: wir haben den Ukraine-Konflikt, wir haben Inflationssorgen, Omikron-Hoffung und Taiwan-Angst. Zu viele Konfliktherde, um eine einfache Lösung für die Aktienmärkte zu suchen. Schrittweise passen wir unser Portfolio daher an unsere veränderte Erwartung an.

Was kann nun in den kommenden Wochen passieren?

Nun, wenn die Inflation weiter ansteigt, wird man sagen, oh je, unsere schlimmsten Befürchtungen werden wohl wahr. Gut, dass wir in den vergangenen Wochen Aktien verkauft haben.

Wenn die Inflation aber Beruhigungstendenzen zeigen sollte, dürfen wir eine Aktienmarktrallye erwarten.

Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, dürften die Aktienmarkt tatsächlich nochmals kräftig einbrechen – aber nur sehr kurz. Denn für die globale Wirtschaft hat Russland wenig Bedeutung. Und eine Energiekrise in Deutschland würde zwar Deutschland belasten, die Weltwirtschaft würde jedoch in absehbarer Zeit Lösungen finden.

Ich denke daher, dass die Chancen am Aktienmarkt auf dem aktuellen Kursniveau deutlich größer sind, als die Risiken. Und da wir in den vergangenen Wochen unsere Cashposition erhöht haben, können wir nun wieder ein wenig davon einsetzen.

Ich möchte mich bewusst nicht mehr in den niedergeprügelten Aktien unseres Portfolios engagieren, denn die sind nicht ohne Grund niedergeprügelt. Ich denke, der Ausverkauf war viel zu heftig, sonst hätte ich die entsprechenden Positionen schon längst verkauft. Aber die „jungen“ Anleger haben ohne Rücksicht auf Bewertungsniveaus verkauft und daher zum Teil sehr günstige Kurse erzeugt. Daher würde ich mit einem Verkauf noch ein wenig warten.

Dennoch sollten wir uns auf die Zeit nach Corona einstellen und entsprechend bereits neue Positionen ins Depot holen.

Zum einen gefällt mir Devon Energy seit einiger Zeit

Das Unternehmen bietet die höchste Dividendenrendite im S&P 500. Obwohl Devon das Öl, das es produziert, zu einem großen Teil zu Preisen verkauft, die vor ein oder zwei Jahren bereits festgelegt wurden, beträgt die erwartete Dividendenrendite derzeit etwa 9%.

Devon bietet eine Basisdividende 0,16 USD/Quartal sowie eine variable Dividende in Abhängigkeit vom erzielten Verkaufspreis beim Öl. Insgesamt wird derzeit eine Quartalsdividende von 1 USD/Aktie zum 31. März avisiert, das ganze mal 4 macht dann 4 USD/Jahr.

Doch diese Dividende wurde mit den gehedgten Preisen erzielt. Was, wenn die aktuellen Preise des Öls nördlich der 90 USD/Fass realisiert werden können? Da ist noch viel Luft nach oben für die Dividende.

Zum Jahreswechsel hatte ich Ihnen eine US-Dividendenaktie versprochen. Ich würde heute eine halbe Dividendenposition kaufen und im Falle eines rückläufigen Ölpreises in den kommenden Wochen dann nachkaufen.

Devon Energy WKN: 925345, ISIN: US25179M1036

Zudem würde ich eine spekulative Position in Goodyear Tires eröffnen

Goodyear ist einer der größten Reifenhersteller weltweit. Die jüngsten Quartalszahlen waren herausragend, allerdings wurde ein sehr verhaltener Ausblick aufgrund der Inflationstendenzen gegeben, die insbesondere die energieintensive Produktion von Plastikreifen betrifft.

Die Aktie ist um 25% eingebrochen. Zu Unrecht, wie ich meine. Reifen sind ein Verbrauchsmaterial, über deren Anschaffung nicht der Preis entscheidet. Die Anschaffung eines Autos ist preissensitiv, nicht aber der Reifenwechsel. Ich gehe daher davon aus, dass Goodyear den Inflationsdruck an seine Kunden weitergeben kann.

Der Ausverkauf ist eine erste Reaktion der Anleger, die genau dies bezweifeln.

20 Mrd. USD Jahresumsatz werden mit einer Marktkapitalisierung von nur 4 Mrd. USD bewertet. Das KGV 23e steht bei 5, der Schuldenstand ist moderat. Ich gehe davon aus, dass die Aktie nicht lange auf diesem niedrigen Bewertungsniveau verharren wird.

Goodyear Tire WKN: 851204, ISIN: US3825501014


Weitere Details zu den beiden Unternehmen werde ich am Freitag in der Wochenausgabe mitteilen. Bis dahin würde ich einfach mal unsere Luky Luke Methode anwenden: Erst kaufen, dann denken :-) …und wenn das Denken dann zum Ergebnis hat, dass wir uns irrten, dürften wir noch immer mit einem blauen Auge, vielleicht sogar mit einem kleinen Gewinn eine Kehrtwende machen können.

Luky Luke, der Mann, der schneller zieht, als sein eigener Schatten.

Take Share,

Ihr Börsenschreibel

Stephan Heibel

Chefredakteur und Herausgeber des Heibel-Ticker

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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