Die Energiepolitik der vergangenen Jahre hat uns in eine Sackgasse manövriert. Ich diskutiere frei von Denkverboten, wie sich die aktuelle Situation darstellt und was wir für die kommenden Monate erwarten/befürchten müssen.
Internationale Anleger verabschieden sich von Deutschland. Die Exportnation kann in einer Welt, die sich deglobalisiert, nicht exportieren. Die Industrienation kann in einer Welt ohne Rohstoffe und Energie nicht produzieren. Eine Rezession in Deutschland scheint eine ausgemachte Sache zu sein, die Frage ist nur noch, wie heftig sie ausfallen wird.
Und so haben die Aktien des Industriesektors letzte Woche um 4,1% nachgegeben. Die Norma Group führt die Verlustliste mit -10% an, gefolgt von Gerresheimer und Krones mit -8%. Wacker Nelson, Deutz und Heidelberger Druck haben 7% verloren.
Auch die Chemiebranche ist unter Druck, das Wochenminus beläuft sich dort auf 3,6%. Wacker Chemie -10%, Brenntag sogar -11% und die Giganten Bayer und BASF jeweils -7%.
Es ist ein Gemisch aus Angst vor knappen Rohstoffen und Angst vor einer Rezession: Zunächst sind die Rohstoffpreise durch die Decke gegangen, weil die laufenden Produktionsprozesse händeringend das jeweils knappe Gut benötigte, egal zu welchem Preis. Vor dem Hintergrund der nun drohenden Rezession ist das Verhalten jedoch umgeschlagen:
Statt eine Produktion durch eine hoffentlich kurze Durststrecke teuer am Laufen zu halten, stellt man sich nun auf eine längere Durststrecke ein und drosselt die Produktion, stellt sich auf ein niedrigeres Produktionsniveau ein. So wird die Rezessionsangst zur selbst erfüllenden Prophezeiung.
Die Rezessionsangst ist in die Managementetage vorgedrungen. Sichtbar wird das an der Performance des Rohstoffsektors in der vergangenen Woche, denn dieser Sektor erzielte mit -7,4% das größte Minus. Stahlkonzerne ThyssenKrupp und Salzgitter brachen um jeweils 16% ein, Kupferhütte Aurubis um 12%, Stahlhändler Klöckner um 9% und Stahl- und Aluminium-Recycler Befesa um 8%.
Besonders gut sichtbar wird die dramatische Situation in Deutschland und Europa am Gaspreis: Die Lösung unserer Bundesregierung waren Gasimporte. Flüssigerdgas aus Qatar und den USA soll uns durch den kommenden Winter bringen, selbst wenn Putin uns das Gas abdreht.
Nun gab es vor ca. 2 Wochen in Texas in einem Flüssiggasterminal eine Explosion, die dortige Flüssiggasproduktion wird wohl bis Ende des Jahres ausfallen (ich berichtete in einem Update darüber). Zunächst sprach man von wenigen Wochen, doch schnell wurde das verheerende Ausmaß der Explosion sichtbar und so spricht man nun von einem Ausfall bis Ende des Jahres. 20% der Flüssigerdgasexporte der USA laufen über dieses Terminal, knapp die Hälfte der dortigen Produktion war direkt für Europa bestimmt.
Seit dem Vorfall ist der Flüssigerdgaspreis in Europa um 60% angesprungen. In den USA hingegen hat man nun viel Erdgas, das nicht exportiert werden kann. Es muss innerhalb der USA verbraucht werden, der Erdgaspreis in den USA ist um 30% eingebrochen. Was uns fehlt, haben die USA zu viel, doch es gibt keine Möglichkeit, das Zeug nach Europa zu bringen.
Damit hat der Ausverkauf der deutschen Industrie begonnen. Internationale Anleger, die ihre Bayer-Aktien flugs in DuPont-Aktien tauschen können, profitieren von dieser Entwicklung. Da wir hier in Deutschland jedoch aus irgendeinem Grund davon ausgehen, dass unsere Probleme in dem Rest der Welt ganz ähnlich sind, bleiben wir überraschend ruhig. Mit Ausnahme von Robert Habeck, der schon von einem drohenden "Lehman-Moment" spricht, Energiekonzerne "aus dem Markt fallen" sieht und von einer "schweren Rezession" spricht.
Derweil hat China seine Ölimporte aus Russland verdoppelt, Indien sogar verdreißigfacht. Die Idee, Russland durch die Sanktionen zu schaden, scheint nicht ganz aufzugehen. Dennoch spricht Habeck davon, dass ein Abdrehen des Gashahns für Deutschland durch Putin ein Zeichen des Erfolges sei: Putin könne sich von dem Gas-Geld nichts mehr kaufen, dann brauche er das Geld auch nicht: Zitat: „Es ist richtig, Putin bekommt Geld durch den Verkauf fossiler Energien, aber er kann sich davon immer weniger kaufen, weil der Westen so viele Güter sanktioniert hat. Und weil er sich mit diesem Geld nichts mehr kaufen kann, sagt er: Dann brauche ich das Geld nicht mehr, und ich reduziere das Gas.”
Diese Aussage als Träumerei abzutun, ist in meinen Augen eine Verniedlichung der Augenwischerei, mit der er noch immer an der schlecht strukturierten Energiewende festhält. Statt Alternativen zu fördern, wurde bestehende Infrastruktur verboten, während Förderungen der Alternativen zeitgleich reduziert wurden. Dadurch wurde jegliche Investitionssicherheit für alternative Energien durch politische Willkür zerstört.
Die Lösung liegt immer in der Mitte: Nachdem Energiekonzerne über Jahrzehnte auf Kosten der Umwelt dicke Gewinne eingefahren haben, wurden anschließend jeglichen Alternativen viel zu früh der Boden unter den Füßen entzogen. Nur langsam werden nun die Notfall-Alternativen diskutiert.
Abschließend noch ein weiterer Gedanke: Wir stellen die Welt der Verbrenner-Autos auf Elektromobilität um. Plastiktüten, eine weitere umweltschädliche Anwendung von Öl, sind zum großen Teil in Deutschland bereits verboten. In einem Interview sagte der CEO von Exxon Mobile diese Woche, dass der Ölabsatz des größten Ölkonzerns der Welt im Jahr 2040, wenn nur noch Elektroautos verkauft werden, auf dem Niveau von 2013 sein werde ... und im Jahr 2013 habe man auch nicht schlecht verdient.
Soll heißen, es gibt so viele Anwendungen für "technische Kunststoffe", so der Marketingbegriff für Plastik mit bestimmten Eigenschaften, dass die Verbrennermotoren anteilig immer weniger ins Gewicht fallen. Plastik kann ganz gezielte Eigenschaften in Hitzebeständigkeit, Bruchfestigkeit, Dehnbarkeit, Haltbarkeit, ... haben, dass ein Verbot von einzelnen Anwendungen im Wachstum der Ölprodukte lediglich kleine Stolpersteine darstellen.
Mein Lösungsvorschlag: Das effizienteste Instrument, das ich kenne, ist der CO2-Zertifikatehandel. Nicht Verbote und Förderungen führen zu Innovation, sondern der freie Markt mit verlässlichen Rahmenbedingungen.
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