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Veröffentlicht von Stephan Heibel am 19.07.2022 um 10:34 Uhr

Aktienanalyse: Zalando vs. About You

Ich habe mir Zalando und About You detailliert angeschaut, da ich diese beiden Online-Händler extrem spannend finde. Beide Aktien sind in den vergangenen 12 Monaten um 75% eingebrochen, das Geschäft bekam durch Corona einen Schub und kann sich auf dem neuen, deutlich höheren Niveau halten. Haben wir schon Kaufniveaus erreicht? In meiner Detailanalyse erfahren Sie, welche der beiden Aktien mein Favorit ist und ob ich den Zeitpunkt für gut halte, jetzt einzusteigen.

Die Aktien von Zalando und About You sind in den vergangenen 12 Monaten um 75% eingebrochen. Von einem Kurs/Umsatz-Verhältnis von deutlich über 2, was selbst für Wachstumsunternehmen sehr hoch ist, hat sich diese Relation inzwischen auf deutlich unter 1 entwickelt, aktuell rund 0,6.

Sind aus den Wachstumsunternehmen somit Value-Unternehmen geworden? Welcher der beiden Online-Händler ist günstiger bewertet, welche Aktie hat die besseren Aussichten? Und sind die beiden Aktien überhaupt die Richtigen in Zeiten hoher Inflation und Rezessionsangst? Diese Fragen werde ich in dieser ausführlichen Analyse beantworten.

Zalando hat sich rund 7,5% des europäischen Online-Modehandels gesichert und ist damit vor H&M am größten. About You rangiert mit 0,9% bereits auf Rang 3. Durch die Corona-Pandemie sprang das Umsatzwachstum bei beiden Unternehmen kräftig an und kann sich bislang auf dem neuen, höheren Niveau halten.


Zalando 2008 bis heute

2008 gründeten David Schneider und Robert Gentz, beide bis heute Vorstandsvorsitzende von Zalando, den Schuhversandhandel mit Investorenkapital von den Samwer-Brüdern. Schon 2009 wurde Mode und Bekleidung ins Sortiment aufgenommen. Über Österreich und die Schweiz ging es seither auch nach Irland und Tschechien und inzwischen in insgesamt 17 europäische Länder.

2014 ging Zalando an die Börse. Heute sind über 4.000 verschiedene Marken auf der Plattform des Online-Händlers vertreten, über 11 Logistikzentren werden die meisten Regionen Europas zügig erreicht.

Neben hochpreisiger Mode wird überschüssige Lagerware dann über Zalando Outlet und Zalando Lounge vertickt. Schnäppchenjäger werden dadurch sauber in einen anderen Kanal geschickt. Auf Zalando findet man zwar mal Sonderangebote, aber selten wirkliche Ausverkaufspreise.

Neben den Geschäftsbereichen „Onlinegeschäft” (88% Konzernumsatz) und „Reduzierte Artikel” (11%) gibt es noch einen dritten, deutlich kleineren Geschäftsbereich „Sonstige” (2%). Marketing, Logistik (Fulfillment) und Stilberatung sind Investitionsbereiche, die heute noch wenig zum Konzerngewinn beitragen. Insbesondere jedoch werden Logistik und Marketing auf Partnern angeboten, die ihre Produkte über Zalando verkaufen.

Das Partnergeschäft gewinnt zunehmend an Bedeutung für Zalando. Inzwischen wird über ein Drittel der Produkte für Partner abgewickelt. Zalando lässt sich die Präsenz im Online-Shop sowie die Logistik und gegebenenfalls das Marketing bezahlen. Die Gewinnmarge in diesem Geschäftsteil ist deutlich höher als bei Waren, die auf eigenes Risiko verkauft werden.

2021 wurden Waren im Gesamtwert von 14,3 Mrd. Euro über Zalando verkauft. Der Umsatz von Zalando betrug 9,3 Mrd. Euro. In den 9,3 Mrd. Euro ist der Umsatz mit eigenen Waren voll enthalten, sowie die Provisionen von Partnern. Partner haben demzufolge Waren im Wert von 5 Mrd. Euro über die Zalando-Plattform abgewickelt.


About You 2013 bis heute

Wenn hier in Hamburg was Vernünftiges entsteht, dann hat Otto häufig die Hand im Spiel. Die Otto Group hat sich vom Kataloghändler zu einem agilen Online-Händler gewandelt. 2013 wurde About You initiiert, ab 2015 ging es über Österreich und die Schweiz nach Belgien und die Niederlande. Bis Ende vergangenen Jahres war About You bereits in 26 europäischen Ländern aktiv, seit diesem Jahr werden sogar 100 Länder weltweit beliefert.

Mit heute über 3.500 verschiedenen Marken im Sortiment hat sich About You zum Ziel gesetzt, insbesondere ein individualisiertes Shoppingerlebnis über Smartphones und andere mobile Endgeräte anzubieten. Neben der Plattform von About You wird unter edited.de auch eine Eigenmarke angeboten, die deutlich höhere Margen erzielt als Handelswaren. Mit einem Fokus auf Influencer, auf Events und eine eigene Community konnte das Start Up überproportional schnell wachsen.

About You unterteilt ebenfalls in drei Geschäftsbereiche, allerdings anders als Zalando: der Umsatz in der DACH-Region macht mit 55% den größten Teil aus, 39% werden in anderen europäischen Ländern umgesetzt. 6% Umsatz werden mit dem Geschäftsbereich „TME”, oder seit kurzem „SCAYLE” erwirtschaftet.

TME umfasst Technologie, also die Software für den Online-Shop, Media, als Werbeformen, und Enabling, also Logistik, und ist in meinen Augen vergleichbar mit dem Geschäftsbereich „Sonstige” bei Zalando.

2016 wurde About You im Rahmen einer Finanzierungsrunde mit SevenVentures (ProSiebenSat.1) mit 320 Mio. Euro bewertet. Nur zwei Jahre später wurde für die nächste Finanzierungsrunde ein Wert von über 1 Mrd. Euro angesetzt. Im Juni vergangenen Jahres, also ziemlich genau zu der Zeit, als die Zalando-Aktie ihr Allzeithoch erreichte, ging About You an die Börse und erzielte eine Marktkapitalisierung von 3,9 Mrd. Euro.

Seither ging’s gen Süden, heute ist About You noch 1,2 Mrd. Euro wert.


Gegenüberstellung Geschäftsentwicklung

Zalando setzte im Jahr 2021 insgesamt 10 Mrd. Euro um, About You 1 Mrd. Euro. Dabei wächst der Umsatz bei Zalando mit 23%, der von About You mit 57%. Es handelte sich um das Geschäftsjahr, in dem aufgrund des Lockdowns viel von zu Hause aus bestellt wurde. Das hohe Wachstum erkauft sich About You teuer, es wurden 35 Mio. Euro Verlust geschrieben (EBITDA-Marge -3%). Bei Zalando bleibt ein Gewinn von 468 Mio. Euro (EBITDA-Marge +6,8%).

About You ist später gestartet und möchte nun aufholen. Die hohen Investitionen von About You zeigen sich dann in einer höheren angepeilten Wachstumsplanung: Zalando hat das Ziel von 20% p.a. ausgegeben, bei About You spricht man von 30% p.a. Dabei steht das Partnergeschäft (Plattform-Geschäft, Scayle) bei About You erst am Anfang, während Zalando dort bereits auf reife Beziehungen blicken kann.

Erst 2024 möchte About You dann schwarze Zahlen schreiben, eine EBITDA-Marge von +0,9% soll dann erstmals erzielt werden. Für Zalando wird eine vergleichsweise stabile Marge von 7,1% erwartet.


Erwähnenswert ist in meinen Augen noch, dass About You bis heute überwiegend (64,4%) in der Hand der Otto Group liegt, nur knapp 20% der ausstehenden Aktien befinden sich im Streubesitz. Bei Zalando sind es 40%, der Rest ist auf eine ganze Reihe von Ankeraktionären verteilt.


Aktuelles aus der IR-Abteilung

Im Rahmen meiner Vorbereitungen für diese Analyse hatte ich Kontakt mit beiden IR-Abteilungen. About You wies mich noch darauf hin, dass es für die 1% der aktivsten Kunden eine VIP-Mitgliedschaft gibt. Entsprechende Kunden werden priorisiert beschickt, erhalten ihre Ware also schneller und erfahren vor allen anderen von neuen Angeboten. Bei Zalando gibt es eine Plus-Mitgliedschaft für 15€/Jahr, mit der ähnliche Vorteile verbunden sind.

Befragt nach den Vorteilen gegenüber dem Wettbewerb stellt Zalando die Größe (Skalierung) in den Vordergrund, die sich über Kundenzahl, Sortiment, Logistik und Daten zieht. About You hingegen hebt die Wachstumsgeschwindigkeit sowie das Einkaufserlebnis hervor: Influencer mit ausgefeiltem Storytelling schaffen eine Community, in der Mode nicht gekauft oder gefunden wird, sondern entdeckt.


Bewertung

Beide Unternehmen haben stark von der Corona-Pandemie profitiert. Während sich das Geschäft auf dem neuen, höheren Niveau stabil hält, sind beide Aktien abgestürzt. An der Börse haben sich Anleger von Corona-Aktien verabschiedet, im Umfeld steigender Zinsen werden Unternehmen mit günstiger Bewertung und hoher Dividende bevorzugt.

Per 2021 hat Zalando ein günstigeres Enterprise Value/ Umsatz von 0,75 gegenüber 0,95 bei About You. Doch aufgrund der höheren Wachstumsgeschwindigkeit bei About You könnte sich das Verhältnis bis 2024 zugunsten von About You entwickeln, es wird von Analysten dann auf 0,34 geschätzt, bei Zalando 0,48.

Doch schon der Blick auf die Gewinnsituation kehrt das Bild um: Da About You erst 2024 den Break Even erreichen möchte, wird das EV/EBITDA per 2024 auf 37 geschätzt, bei Zalando auf 7. Aktuell geben Anleger wenig auf zukünftige Entwicklungen, daher brauchen Sie einen langen Atem, wenn Sie About You vorziehen.

Empfehlen möchte ich derzeit jedoch keine der beiden Aktien. Ich habe die Befürchtung, dass sehr schwere Zeiten für den Einzelhandel bevorstehen. Zum einen macht die hohe Inflation das Kalkulieren mit den Handelswaren schwerer. Zum anderen wird auch der Konsument, der Kunde, mit seinem Verhalten stärker schwanken. Im einen Augenblick möchte man sein Einkommen gerne verjubeln, bevor die Inflation den Wert aufzehrt. Im nächsten Augenblick möchte man seine fünf Groschen lieber beisammen halten, da die Lohnentwicklung der Inflation hinterher hinkt.

Die Lieferkettenprobleme, die aus der Corona-Pandemie resultieren, haben bei vielen Einzelhändlern zu einer größeren Lagerhaltung geführt. Das ist teuer, insbesondere wenn die Finanzierung bei steigenden Zinsen teurer wird. Überschüssige Lagerbestände müssen verramscht werden, so dass die üppige Gewinnmarge der Coronazeit künftig kaum gehalten werden kann.

Um 75% wurden beide Aktien in den vergangenen 12 Monaten abgestraft, der Umsatz ist höher als die Marktkapitalisierung oder das Enterprise Value. In der Bilanz beider Unternehmen schlummern ausreichend Barreserven, um flexibel zu bleiben. Das sind eigentlich beste Ausgangspositionen für ein anhaltend erfolgreiches Geschäft. Wer einen sehr langen Zeithorizont hat, der kann sich die beiden Aktien ins Depot holen. Doch beide Aktien entsprechen nicht dem Geschmack der heutigen Anleger, daher würde ich bis auf weiteres erst einmal von einem Kauf absehen. Ich fürchte, es wird noch günstigere Kaufgelegenheiten geben.

Zukünftige Börsenbrief Updates zu den beiden bekommen Sie im kostenlosen Heibel-Ticker Standard und erfolgsversprechender Aktien-Unternehmen können Sie im Heibel-Ticker PLUS Bereich finden.

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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