Dieser Beitrag ist letzten Freitag im Heibel-Ticker Börsenbrief erschienen. Diesen Freitag folgt der nächste Börsen Ausblick mit neuen Analysen und Investmentideen.
September ist für die Aktienmärkte der schlechteste Monat im Jahr. Wir befinden uns mitten in einem heftigen Bärenmarkt, haben bis auf eine kurze Sommererholung seit einem Dreiviertel Jahr nur fallende Kurse gesehen und biegen erst jetzt in den Monat ein, der historisch betrachtet der schwächste Monat im Jahr ist. Besonders schwach ist der September immer dann, wenn in den USA Zwischenwahlen anstehen ... wie in diesem Jahr. Da ist es schwer, optimistisch zu sein.
US-Notenbankchef Jay Powell hat der Inflation den Krieg erklärt ... selbst auf Kosten der Arbeitslosigkeit. Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien müssen runter, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Ein Konjunkturabschwung oder auch eine Rezession ist da kaum mehr zu vermeiden.
Und das alles zu einer Zeit, in der die Energie knapp ist, geopolitische Spannungen eskalieren und eine neue Coronawelle vor der Tür steht: In China steht die Wirtschaftsregion Shenzen kurz vor einem neuen Lockdown.
Im, Gegenteil, derzeit sieht es so aus, als seien die Ängste durchaus berechtigt und aufgrund der Zinswende reagieren die Aktienmärkte viel sensibler auf diese Spannungen.
Ich könnte Ihnen sagen, in meiner Zeit an den Aktienmärkten sind solche Ausverkäufe stets gute Gelegenheiten gewesen, günstig an gute Aktien zu kommen. Immerhin bin ich schon seit 1987 an der Börse unterwegs. Doch komischerweise haben wir seit den 80er-Jahren an den Finanzmärkten nur fallende Zinsen gehabt ... von kurzen Unterbrechungen mal abgesehen. der Vergleich hakt also und nicht wenige Börsianer sehen in dem aktuellen Bärenmarkt eine überfällige Bereinigung:
SPACs, IPOs, viele Kryptowährungen und auch Meme-Aktien können nicht unter Null fallen =8-(). Aber selbst bis zur Null ist es noch ein weiter Weg.
Derweil werden die Corona-Gewinne der Corona-Gewinner vollständig abgegeben. Die Corona-Verlierer, die auf einen Nachholeffekt nach Corona hoffen, starten nicht durch, weil für diesen Winter eine neue Corona-Welle droht.
Weite Teile der Industrie leiden unter den abgerissenen Lieferketten. Vorprodukte fehlen entweder, oder, wenn's gut läuft, werden auf Lager gelegt, was zum einen die Kostenstruktur der Unternehmen belastet, und zum anderen die Verfügbarkeit für andere Marktteilnehmer einengt. Nicht die Nachfrage ist das Problem, sondern das Angebot.
Trotzdem stimulieren Politiker weltweit mit Hilfspaketen und Sonderprogrammen die Nachfrage, was die Inflation weiter anheizt und die Notenbanken unter Zugzwang setzt. Zugzwang, das von der Politik in den Markt gegebene zusätzliche Kapital wieder herauszuziehen, um die Inflation einzudämmen. Dadurch wird eine Rezession riskiert, die von der Politik umgehend wieder mit Hilfsprogrammen (Nachfrageseite!) beantwortet wird. Ein Teufelskreis, der durch aus geeignet ist, Panikverkäufe am Aktienmarkt zu initiieren.
Fragen Sie mich also nicht, wann der Bärenmarkt sein Ende findet.
Wenn ich mir jedoch die Bewertungen vieler profitabler Aktienunternehmen anschaue, fällt es mir schwer, an eine Fortsetzung des Ausverkaufs zu glauben. Dividendenrenditen von 6% und mehr, teilweise über 10% sind keine Seltenheit mehr. KGVs im niedrigen einstelligen Bereich reichen Anlegern nicht als Kaufgrund. Ich würde meinen, dass Anleger mit Geduld die aktuellen Turbulenzen nutzen können, um ein langfristiges Portfolio aufzubauen. In zwei bis drei Jahren werden Sie Ihre Freude daran haben. Ungeachtet dessen, ob der Bärenmarkt heute, oder erst in einigen Wochen endet.
Bei den Vorständen, mit denen ich vergangene Woche gesprochen habe, war nichts von dieser Weltuntergangsstimmung zu spüren. Ihre Unternehmen haben sich bestmöglich auf Inflation, auf Lieferkettenprobleme und auf Corona vorbereitet. Klar, einfach sind die Zeiten nicht. Doch mit den Vorständen haben wir darüber diskutiert, wie hoch die Gewinnmarge ist. Es wurde über die Kosten gesprochen, die anfallen, wenn die oben genannten Probleme tatsächlich eintreten. Die Unternehmen sind vorbereitet, werden die Kosten stemmen und ihre Produktion aufrecht erhalten. Der Gewinn wird dann ggfls. ein wenig geschmälert. Aber von Produktionsstillstand und von ausufernden Kosten, die nicht gestemmt werden, können war keine Rede.
Unsere Wirtschaft ist resistenter, als viele ihr das zutrauen ... insbesondere auch als viele Politiker ihr das zutrauen. Ich habe den Eindruck, dass hier das wahre Problem der aktuellen Baisse liegt: Es wird nur noch auf die Politik geschaut, wenn Probleme auftreten. An die eigenen Kräfte der Marktwirtschaft glaubt derzeit in der Politik niemand. Den Spruch, politische Börsen haben kurze Beine, habe ich vor zwei Jahren begraben. Immer mehr zeigt sich, dass die Wirtschaft immer stärker von der Politik gesteuert wird. So mögen zwar ESG-konforme Lösungen verfolgt werden, aber effizient ist das nicht.
Sei's drum, trotz der heftigen Verluste, die wir in diesem Jahr bereits einstecken mussten, halte ich an meiner Disziplin fest: An schwachen Tagen wird zugekauft, an guten Tagen werden Teilgewinne mitgenommen. Mit derzeit 11% Cash im Portfolio sind wir durchaus handlungsfähig, falls eine weitere Ausverkaufswelle im September den DAX nochmals auf 12.400 Punkte drückt. Zwischenzeitlich überarbeiten wir halt unsere Einkaufsliste:
Die Einkaufsliste werde ich nächsten Freitag deutlich erweitern. Anhand der von mir ausgearbeiteten Kriterien für profitable Wachstumsunternehmen werde ich meine Favoriten der verschiedenen Märkte, Deutschland, Österreich, Schweiz, USA und Japan, vorstellen.
Die Arbeitslosenquote ist in den USA von 3,5% auf 3,7% gesprungen. Endlich scheint die Personalknappheit nachzulassen. Eine Arbeitslosenquote über 4,0% ist erforderlich, um die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer bei den Lohnverhandlungen zu schwächen. Und die Lohnentwicklung ist Bestandteil der zweiten Welle der Inflation. Der Anstieg in der Arbeitslosenquote ist also ein Zeichen des Erfolges von Notenbank Chef Jay Powell, der die Inflation stoppen möchte.
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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