Letzten Freitag hat die Star-Investorin Cathie Woods eine Kalkulation für einen zu erwartenden Kurswert für Tesla im Jahr 2027 veröffentlicht. Sämtliche Annahmen sowie auch die Excel-Kalkulation wurden veröffentlicht, so dass sich jeder ein eigenes Bild von der Berechnung machen kann. Ich habe das getan.
Am Freitag stand die Aktie bei 163 USD. Wenn die Aktie in fünf Jahren bei 2.000 USD stehen soll, müsste sie jedes Jahr um 65% zulegen. Nicht schlecht, oder?
Aber selbst der pessimistische Fall, den Cathie Woods aufzeigt, geht von einem Kurs bei 1.400 USD im Jahr 2027 aus. Das entspricht einer jährlichen Kurssteigerung von 54%.
Um die Erwartung von Cathie Woods nachvollziehen zu können, müssen wir uns die wesentliche Annahme einmal anschauen: Sie setzt darauf, dass Tesla in der Zukunft einen wesentlichen Teil des Geschäfts mit autonom fahrenden Autos macht, die in der Personenbeförderung tätig sind.
Full Self Driving (FSD) wurde von Tesla bereits vielfach angekündigt, doch bis heute konnte es nicht realisiert werden. Wie immer lachen Kritiker über Tesla, das seine eigenen Prognosen nicht einhalte. Doch sie übersehen, dass Tesla dem FSD näher ist als die Konkurrenz. Zum einen arbeitet Tesla schon seit Jahren mit Nvidia zusammen, um die Bildauswertung mit künstlicher Intelligenz zu verfeinern. Während Tesla entsprechende Rechenzentren mit den Nvidia-GPUs hat, kommt die Konkurrenz kaum an die GPU heran. Der Stückpreis ist 20.000 USD, derzeit werden sie auf Ebay für über 40.000 USD gehandelt. Für ein Rechenzentrum, das eine Leistung erbringt, mit der KI ermöglicht wird, sind tausende davon erforderlich.
Zum anderen sammelt Tesla Bilddaten von Millionen gefahrenen Kilometern am Tag, da viele Tesla-Kunden ihre Daten an Tesla freigegeben haben. Waymo kommt vielleicht insgesamt auf über die Jahre gesammelte Daten von 1 Mio. Fahrkilometern.
Cathie Woods gibt dem Szenario, dass noch im Jahr 2023 ein erstes FSD-Fahrzeug von Tesla für den Straßenverkehr zugelassen wird, eine 22%ige Chance. Für 2024 sieht sie eine Chance von 33%. Wenn wir das zusammen nehmen, geht sie also zu 55% davon aus, das Ende 2024 bereits FSD-Teslas zugelassen sein werden.
Wenn das so kommen sollte, geht sie für das Jahr 2027 davon aus, dass FSD-Personenbeförderungen einen Umsatz von 200 Mio. USD im Jahr generieren werden. Damit würde der Umsatz durch verkaufte Tesla-Autos nochmals um 60% und die Gewinnmarge überproportional gesteigert werden.
Woods setzt also voll auf FSD-Teslas und die damit einhergehende Personenbeförderung, die, so Woods, heute schon sicherer sei als die Personenbeförderung durch Menschen.
Ich weiß, dieses Szenario wird im Autoland Deutschland umgehend mit handfesten Beweisen widerlegt. Genauso wie der Ausstieg Teslas in den vergangenen Jahren immer wieder mit handfesten Beweisen widerlegt wurde ... und dennoch ist Tesla heute der weltweit wertvollste Automobilhersteller. Es lohnt sich also, die Projektion von Cathie Woods einmal unvoreingenommen zu durchdenken.
Dabei fällt mir ein, dass Elon Musk ja unzählige Satelliten ins Weltall geschossen hat, um mit Starlink ein eigenes Internet anzubieten. Das G5-Netz, so die Meinung vieler Experten, habe nicht die Kapazität, um das FSD für alle Fahrzeuge zu ermöglichen. Auch hier ist Musk der Konkurrenz, die auf das G5-Netz angewiesen ist, einen Schritt voraus.
Letzten Donnerstag ist sein Big Boy, die größte Rakete, die jemals ins Weltall geschossen werden sollte, nach 4 Minuten zur Explosion gebracht worden: Von der vorgesehenen Route wich die Rakete ab, daher musste sie gesprengt werden. Ein Versuch, aus dem Elon Musk viel gelernt hat, wie er sagt. Der nächste Versuch wird folgen. Geld ist genug vorhanden. Mit der Starship können, wenn sie denn mal erfolgreich ins All geschossen werden kann, bis zu 100 Menschen transportiert werden. Im Vergleich zu den heutigen Kapazitäten von einer Handvoll Menschen ist das ein gigantischer Sprung.
Auf Twitter verfolge ich Elon Musk eng. Täglich kommentiert er, was sich bei Twitter ändert. Und wenn ich das so anschaue, hat er vieles verbessert. Twitter ist weder ein Konzern, mit dem er die Automobilbranche aufrollt noch die Menschheit zum Mars bringen möchte. Dennoch ist auch sein Twitter-Engagement von einer Vision geleitet: Zu Zeiten der Cancel-Culture möchte er wieder eine offene Diskussionskultur erzeugen, die für jede Demokratie essentiell wichtig sei.
Das ist nicht einfach und verschiedene Entscheidungen wurden bereits rückgängig gemacht. Aber auch hier zeigt sich die US-Mentalität, in der Fehler nicht als Scheitern verurteilt, sondern als Stolperstein auf dem Weg zum Erfolg betrachtet werden. In diesem Sinne wünsche ich dem kantigen Erfinder viel Erfolg.
Passt nun Tesla in unser Portfolio? Sie werden mir nicht glauben, mit wie vielen Menschen ich diese Frage schon diskutiert habe. Stets werde ich mit Zahlen konfrontiert, die meine Blauäugigkeit belegen sollen. Überzeugen konnte ich bislang noch niemanden. Aber das war bei Amazon und bei Apple ähnlich.
Ich werde mich zukünftig mehr mit den potentiellen neuen Amazon, Apple, Google und Co. beschäftigen und uns neue Aktien Highflyer identifizieren.
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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