Veröffentlicht von Stephan Heibel am 28.10.2008 um 08:52 Uhr

Börsenanalyse: Computerhandel

Hallo Herr Heibel, ich habe eben Ihr update gelesen. Zu beneiden sind Sie ja in Ihrem Job z.Zt. nicht. Aber ganz einleuchtend erscheint mir Ihre Argumentation nicht. Jeder Computer verfügt doch über eine Tastatur oder eine andere Eingabe-Schnittstelle, mit der ein Mensch in das Geschehen eingreifen kann. Das unterscheidet die reale Situation von der Matrix-Situation. Wenn die Verantwortlichen in den Investment-Gesellschaften, deren Geschäftsmodell sich auf den Computerhandel stützt, sehen, dass die Prämissen, die ihrem Modell zugrunde liegen, nicht mehr gegeben sind, was hindert sie dann daran, in die Tastatur zu greifen und zumindest den Wahnsinn zu stoppen, bis neue Überlegungen zu neuen Handelstrategien  führen? Versteh ich nicht. Sie wollen doch nicht wirklich sagen, dass in den USA NUR Rumsköppe wie GW zugange sind. Oder doch? Ich versuch, mich in Situationen reinzuversetzen. Was machen Leute, die morgens in ihr office kommen und sehen, dass der Computer über Nacht nur Mist gemacht hat? Sagen sie „inshallah“ oder sagen sie: „Es ist kein Mist, denn das Computermodell ist klüger als ich – sein Schöpfer.“ Beide Verhaltensweisen sind doch nicht einsichtig. Halbwegs verständige Leute greifen in solchen Situationen doch aktiv in das Geschehen ein. Viele Grüße, Edgar aus Erbendorf ANTWORT: Danke für Ihre Gedanken. Ja, da haben theoretisch Recht. Ich sehe jedoch zwei wesentliche Gruppen von Händlern: Diejenigen, die ihre teilweise exorbitant gehebelten Positionen, die sich im Schiefstand befinden, auflösen müssen, und diejenigen, die von diesen Zwangsauflösungen profitieren. Beide Gruppen sind Profis, die über Computerprogramme verfügen, die ihre Strategien umsetzen. Wenn nun beispielsweise seit vielen Jahren eine Shortposition im US-Dollar aufgebaut wurde und die entsprechenden Währungen, die man aus der Shortposition generierte, in Gold angelegt wurden, dann sollte der jüngste US-Dollaranstieg dazu führen, diesen Trade aufzulösen. Das geht aber nicht über Nacht, dazu sind die Positionen zu groß, dazu machen es zu viele. Also schiebt man immer wieder eine Tranche in den Markt hinein, gibt dem Computer also den Befehl, eine bestimmte Positionsgröße im Tages- / Wochenverlauf zu liquidieren, und wartet dann wieder auf die Reaktion / Gegenbewegung des Marktes. Auf der Gegenseite sitzt die zweite Gruppe, die von dieser Liquidation Wind bekommt, beim Ansetzen der Liquidation sofort entsprechende Positionen aufbaut und das Ende dieser Tranche abwartet. So spielen diese beiden Gruppen quasi gegeneinander: Gruppe 1 variiert die Tranchengröße, so dass die Gegenreaktion zu immer unterschiedlichen Zeiten erfolgt. Gruppe 2 muss immer wieder schnell reagieren. Da man aber als Mensch bestimmte Muster nicht so schnell erkennen kann wie der Computer, werden eben entsprechende Mustererkennungsprogramme geschrieben. Wohlgemerkt: Ich gehe davon aus, dass entsprechende Positionen inzwischen zu groß geworden sind, als dass man sie über Nacht oder an wenigen Tagen auflösen könnte. War das verständlich? Lassen Sie mich wissen, ob ich das Spiel dieser zwei Gruppen verständlich beschrieben habe. Gruppe 1 wären in diesem Spiel die Vermögenden, mittelfristig orientierten Anleger. Gruppe 2 wären sehr spekulativ, kurzfristig agierenden Hedgefonds. {weiter[40|9]}

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Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

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