Wenn selbst hunderte Milliarden Dollar nicht mehr genügen, um politische Stabilität zu schaffen, schrillen bei Investoren die Alarmglocken. Apple und NVIDIA stehen exemplarisch für einen tiefgreifenden Vertrauensverlust – nicht etwa in ihre Geschäftsmodelle, sondern in die Vorhersehbarkeit der politischen Rahmenbedingungen unter einer neuen Trump-Regierung.
Bereits 2019 begann Apple als Reaktion auf die Handelskonflikte zwischen den USA und China, erste Produktionslinien nach Vietnam zu verlagern. Seitdem wurde das Engagement dort systematisch ausgebaut. Laut Nikkei Asia wurden bis 2023 mehr als 10 % der weltweiten iPad- und AirPods-Produktion nach Vietnam transferiert. Die Anzahl der lokalen Zulieferbetriebe ist in den vergangenen fünf Jahren von wenigen Dutzend auf über 160 gestiegen.
Doch Trump 2.0 interpretiert die Lage anders: Nur Investitionen direkt in den USA zählen. CEO Tim Cook kündigte deshalb im Februar 2025 an, dass Apple in den kommenden vier Jahren mehr als 500 Milliarden US-Dollar in US-amerikanische Fertigungsstandorte investieren wird – eine gigantische Summe. Dennoch zeigt sich die Regierung unbeeindruckt. Vietnam wurde zeitweise mit reziproken Zöllen belegt – ein politisches Signal, das Apples globale Diversifizierungsstrategie konterkariert. Apples Versuch, geopolitische Risiken durch Produktionsverlagerung zu reduzieren, wird zur Zielscheibe einer Wirtschaftspolitik, die sich eher an innenpolitischer Symbolik als an ökonomischer Realität orientiert.
Noch drastischer ist der Fall NVIDIA. Trotz starker Zahlen und eines erwarteten Jahresgewinns von 146 Milliarden US-Dollar muss das Unternehmen im April 2025 eine Abschreibung von 5,5 Milliarden USD verkraften. Hintergrund ist die Verschärfung der US-Exportregeln für KI-Hardware nach China, die ursprünglich im Oktober 2023 eingeführt und Anfang 2025 erneut verschärft wurden. Die Maßnahme betrifft unter anderem die H100- und H20-Chips, von denen bereits produzierte Mengen nicht mehr exportiert werden dürfen.
Besonders brisant: Der H20 war eigens für den chinesischen Markt konzipiert worden und sollte 2024 die Exporthürden technisch umgehen. Dass nun selbst diese angepasste Version nicht geliefert werden darf, wirft Fragen zur Verlässlichkeit wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen auf. Die Reaktion der Börse? Ein Rückgang von 9 % innerhalb einer Woche – nicht wegen operativer Schwäche, sondern wegen politischer Unsicherheit.
Die Anlegerstimmung in den USA zeigt eine bemerkenswerte Entwicklung: Das Lager der neutral eingestellten Investoren wächst spürbar. Die wöchentliche Erhebung der American Association of Individual Investors (AAII) verzeichnete im April 2025 einen Anteil von knapp 18 % an neutralen Stimmen. Bullen und Bären hielten sich jeweils mit rund 40 % die Waage. Optimisten wie Pessimisten lagen in den vergangenen Monaten gleichermaßen falsch – zu erratisch ist das politische Umfeld.
Einige Unternehmen geben inzwischen doppelte Prognosen ab: Eine unter stabilen Rahmenbedingungen – und eine, falls erneut Überraschungsentscheidungen der Regierung die Wirtschaft beeinflussen. „Abwarten“ wird zur ernsthaften Strategie.
Die Beispiele von Apple und NVIDIA zeigen: Es geht längst nicht mehr nur um Unternehmenszahlen. Wer heute investieren will, muss geopolitische Risiken mit einpreisen. Und je näher der US-Wahlkampf rückt, desto größer wird die Unsicherheit. Der Markt verlangt nicht nur nach Innovation, sondern auch nach politischer Verlässlichkeit – beides scheint derzeit Mangelware zu sein.
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