Energiekrise, Inflation, ... letzte Woche fragte mich eine Kundin, bis wann der Aktienmarkt denn aller Voraussicht nach die aktuelle Baisse wieder ausgeglichen haben könnte.
Ich habe mich auf die Suche nach vergleichbaren Situationen in der Geschichte gemacht. Das Ergebnis wird Ihnen nicht gefallen.
Die Leserfrage selbst, sowie meine Antwort, lesen Sie nachfolgend:
Hallo Herr Heibel,
ich frage mich angesichts von Aussagen wie „Die Inflation ist gekommen um zu bleiben“ (höhere Zinsen schlecht für Aktien) und „Eine Rezession droht..“(auch schlecht für Aktien), ob es überhaupt noch sinnvoll ist, weiter in Aktien zu investieren?
Ich kenne die Theorien, dass man nur lang genug warten müsse…aber zur Zeit habe ich nach wie vor meine Sparpläne laufen in der Hoffnung, nun wenigstens mal gute Preise zu bekommen. Unf ich frage mich als nicht mehr ganz junger Sparer …wieviele Jahre werden das angesichts wirtschaftlicher, politischer und klimatischer Krisen wohl sein?
Sie sind kein Hellseher, aber ich würde mich freuen, wenn Ihnen eine beruhigende und nachvollziehbare Antwort für mich einfiele :-)
Ein wenig beschleicht mich als Laien die Vermutung, dass der Boom der letzten Jahre, angefeuert durch die Politik des billigen Geldes, nicht mehr wird wiederholbar sein.
Viele Grüße aus der Handelsblattheimat
Inga aus Düsseldorf
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Wir können aus der Geschichte vielleicht ein Gefühl für das bekommen, was wir derzeit erleben.
Die große Finanzkrise 2007 bis 2009 war ein Crash der Finanzwelt, der die Wirtschaft mit in den Abgrund zog. Durch Liquiditätsflutung (Finanzmittel) konnte das Desaster eingedämmt werden und es folgte eine schnelle Erholung, da die Wirtschaft ja eigentlich gesund war.
Das Platzen der Internetblase 2000 bis 2003 betraf überwiegend die Internet- und Technologieaktien. Der Rest der Wirtschaft hatte nach wenigen Monaten einen Boden gefunden und anschließend vergleichsweise normal weitergewirtschaftet. Wer in Dividendenaktien und Versorger investiert war, kam gut aus diesem Crash heraus.
Der große Crash 1987 war ein IT-Crash: Erstmals wurde mit automatisch hinterlegten Stop Loss Orders gearbeitet. Als wichtige Unterstützungen unterschritten wurden, konnten die automatisch erzeugten Verkaufsorders nicht schnell genug aufgefangen werden. Auch dieser Crash war schnell vorüber.
Ich habe mir nun einmal die Zeit 1965 bis 1980 angeschaut. Im Jahr 1965 erreichte der Dow Jones am Ende des Nachkriegsbooms (Wirtschaftswunder) sein damaliges Allzeithoch bei 9.040 Punkten. Für die folgenden 17 Jahre ging es dann nur noch abwärts, im Juli 1982 Stand der Dow Jones bei gerade einmal 2.424 Punkten, also um fast 75% tiefer. In dieser Zeit war die Inflation von 1,5% im Jahr 1965 auf 14% im Jahr 1980 angestiegen. Es gab vier Rezessionen: 1970, 1974, 1980 und 1982.
Eine zögerliche Zinspolitik der US-Notenbank startete bei 3% im Jahr 1965 und führte den Leitzins bis 1979 nicht über 8%. Erst durch die beherzten Zinsanhebungen durch den US-Notenbanker Paul Volcker, der im August 1979 ins Amt kam, wurde der Leitzins auf zwischenzeitlich 14% in die Höhe geschraubt. Es folgte die Rezession 1980 sowie eine weitere 1982, doch danach war der Spuk vorbei.
Die Inflation fiel im Jahr 1982 auf 3% zurück. Der Leitzins wurde nur langsam zurückgeführt, erst 1993 stand er erstmals wieder bei 3%. Der Dow Jones stieg von seinem Tief bei 2.424 Punkten im Sommer 1982 ungebremst auf 20.000 Punkte vom Rahmen der Internetblase im Jahr 2000.
An Gemeinsamkeiten im Vergleich zur heutigen Situation gibt es keinen Mangel: Einige von Ihnen werden sich an die Ölkrise der 1970er Jahre erinnern. Um Öl zu sparen, wurde der autofreie Sonntag eingeführt. Heute sollen wir kürzer duschen und nicht über 30°C waschen.
Wenn ich mir diese Parallelen so vor Augen führe, fürchte ich, dass ich wohl noch ein wenig mehr Arbeit in diesen Vergleich stecken muss. Immerhin gab es in den 15 Jahren des Niedergangs im Dow Jones auch vier Erholungsrallyes mit 15-30% Plus.
Bisher habe ich die aktuelle Situationen mit ähnlichen aus der bisherigen Geschichte verglichen. Das Ergebnis gefällt Ihnen vielleicht nicht. Im Ausblick in Kapitel 04 unserer letzten Heibel-Ticker Ausgabe gehe ich näher darauf ein, wie wir uns in einer so ungewissen Zeit verhalten können: https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1998#ch04. Weiter geht es am Wochenende mit der kommenden Ausgabe.
Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.
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