...
Veröffentlicht von Stephan Heibel am 08.06.2021 um 10:56 Uhr

Shortsqueezes bei Gamestop, AMC & Co. als Revanche der Privatanleger

+100% hat die Aktie von AMC im Tagesverlauf letzten Mittwoch verzeichnet. Eine Kursverdopplung auf dem Rücken von Leerverkäufern, die auf fallende Kurse spekulierten und nicht ausreichend Sicherheiten nachschießen konnten: Shortsqueeze. Ein Shortsqueeze ist ein Ausquetschen der Leerverkäufer, deren Spekulation auf fallende Kurse durch einen steigenden Aktienkurs eingedeckt werden müssen. Diese Deckungskäufe treiben den Aktienkurs zusätzlich in die Höhe.

Ein Unternehmen, das nach allen Bewertungskriterien viel zu hoch bewertet ist, dürfte einen fallenden Aktienkurs verzeichnen. Doch die Massen von WallStreetBets haben ein wenig Spielgeld dafür verwendet, fallende Kurse zu verhindern. Und in einer konzertierten Aktion konnten sie sogar einen steigenden Kurse erzeugen, der sodann in einen Shortsqueeze mündete.

Warum machen die das? Nun, es ist die Revanche des Privatanlegers, wie ich bereits vor einer Woche erklärte: Oft genug haben Hedgefonds mit Falschaussagen im Fernsehen den Aktienkurs solider Unternehmen in den Keller geprügelt. Die Aktie war zu Unrecht gefallen und Privatanleger verloren im Rahmen solcher Attacken viel Geld.

Nun passiert das Gegenteil: Privatanleger fahren eine Attacke gegen Hedgefonds und treiben diese in Liquiditätsprobleme, teilweise in die Insolvenz. Sie wollen eine moralische Einschätzung? Nun, ich habe die Hedgefonds verurteilt, die Aktien schlecht geredet haben. Entsprechend kann ich mir ein Lächeln über die Revanche der Privatanleger nicht verkneifen. Lieber wäre mir jedoch eine Aktienbörse, die ohne solche Verzerrungen auskommt.

Zu AMC: Das Unternehmen betreibt Kinos in den USA. Im Lockdown waren die Kinos geschlossen. Das Unternehmen war schon vor der Corona-Pandemie finanziell angeschlagen: Hohe Schulden und niedrige Gewinnmarge wegen der Streaming-Konkurrenz. Hohe Schulden heißt in diesem Fall: 11 Mrd. USD Schulden bei 5,5 Mrd. USD Jahresumsatz. Da dort Immobilien dahinter stehen, die einen Wert darstellen, ist das Unternehmen nicht überschuldet. Doch die hohe Zinslast bei niedriger Gewinnmarge führte bereits dazu, dass vor der Kursexplosion eine Bewertung angelegt wurde, die eher an eine Insolvenzgefährdung erinnert: 1 Mrd. USD für 5,5 Mrd. USD Umsatz, ein KUV von 0,2.

Nun hat sich der Kurs in den vergangenen Wochen verfünfundzwanzigfacht. Die Marktkapitalisierung von AMC beträgt inzwischen 25 Mrd. USD und AMC hat bekannt gegeben, Aktien zu platzieren, um die Schuldenlast zu verringern. 11,5 Mio. neue Aktien werden ausgegeben, nachdem wenige Tage zuvor bereits 8,5 Mio. Aktien direkt an einen Einzelaktionär (Mudrick Capital) verkauft wurden. 11+8,5 = 19,5 Mio. neue Aktien zu einem Kurs von 30 bzw. 50 USD, damit hat sich AMC mal eben 800 Mio. USD in bar geholt, um die Schulden zu verringern. Bei 500 Mio. ausstehenden Aktien wurden die alten Aktien durch diese lukrative Transaktion kaum verwässert.

Gleichzeitig hat sich AMC an Privatanleger gewendet und vor dem Kauf der Aktien gewarnt: 80% der AMC-Aktien befänden sich derzeit in der Hand von Privatanlegern, das ist vergleichsweise viel. Diese Privatanleger laufen Gefahr, ihren Einsatz teilweise oder auch fast vollständig zu verlieren, so AMC in der Pressemitteilung. Die Aktienkursentwicklung habe keinerlei Bezug mehr zur Geschäftsentwicklung und daher sei die Gefahr für Privatanleger sehr groß, viel Geld zu verlieren. Dennoch werde das Unternehmen die künstlich hohen Kurse nutzen, um frisches Kapital zu generieren, denn das sei man den Aktionären schuldig.

Ich denke, deutlicher kann man es kaum sagen. Hier ist einiges aus den Fugen geraten.

In meiner aktuellen Börsenbrief Ausgabe finden Sie zusätzlich folgende Themen: https://www.heibel-ticker.de/heibel_tickers/1874

  1. Info-Kicker: Allzeithochs ohne Champagnerkorken
  2. So tickt die Börse: AMC: Revanche der Privatanleger
    Konjunkturentwicklung
    Wochenperformance der wichtigsten Indizes
  3. Sentiment: Große Skepsis über Allzeithochs deutet neue Aktienmarktrichtung an
  4. Ausblick: Rallye an den Aktienmärkten ohne Netz und doppelten Boden
  5. Updates beobachteter Werte: Barrick Gold, Beyond Meat
    Barrick Gold: Abhängigkeiten: gute Arbeitsmarktdaten könnten nur kurzfristig belasten
    Beyond Meat: Stopp Loss bei 108 EUR einziehen
  6. Leserfragen
    Ad Pepper als Nach-Corona Spekulation
    CureVac deutlich langsamer als BioNTech
    ALSO Holding GmbH IT-Hardware für die Schweiz

...

Stephan Heibel

Seit 1998 verfolge ich mit Begeisterung die US- und europäischen Aktienmärkte. Ich schreibe nun wöchentlich für mehr als 25.000 Leser über die Hintergründe des Aktienmarktes und die Ursachen von Kursbewegungen. Meine Leser schätzen meinen neutralen, simplen und unterhaltsamen Stil. Als Privatanleger nutzen sie meine Einschätzungen und Anlageideen, um ihr Portfolio unabhängig zu optimieren.

heibel-ticker.de

Twitter LinkedIn YouTube Xing


Der wöchtenliche Börsenbrief für alle, die professionellen und ehrlichen Rat für ihren Vermögensaufbau suchen. Jetzt gemeinsam mit über 25.000 Mitgliedern kostenfrei erhalten.

Heibel-Unplugged ist der Blog des Heibel-Ticker Börsenbriefs zur Ergänzung fachlicher Börsenexpertise mit dem Investoren-Sentiment

© Copyright 2006 - 2025 Heibel-Unplugged