Noch zum Jahresstart schienen US-Aktien das Maß der Dinge, doch schnell drehte sich der Wind: Der Kapitalstrom kehrt um, Europa wird stärker wahrgenommen, und Trumps brachiale Zollpolitik setzt alte Allianzen unter Druck. Statt Zusammenarbeit erleben wir ein transatlantisches Familien-Drama: Die USA, enttäuschte Eltern, üben Druck aus, während Europa wie ein trotziges Kind auf Unabhängigkeit pocht. Am Beispiel von BMW zeige ich in Kapitel 2, wie die Zölle sich konkret auswirken.
Das BMW-Werk Spartanburg in South Carolina ist das größte BMW-Werk weltweit, aber es ist primär ein Montagewerk und kein vollintegriertes Motorenwerk. Das heißt: Viele zentrale Komponenten wie Motoren, Getriebe und Batteriezellen kommen aus anderen Werken, insbesondere aus Deutschland, Österreich und China.
In Spartanburg werden vor allem SUVs (bzw. BMW spricht von ”SAVs”, Sports Activity Vehicles) für den Weltmarkt gebaut, darunter die Modelle BMW X3, X4, X5, X6, X7 und der neue BMW XM (High-Performance-Hybrid). Diese Fahrzeuge werden dort karosseriebau-, lackier- und montagefertig produziert. Das Werk ist hoch automatisiert und auf große Stückzahlen ausgelegt, rund 1.500 Fahrzeuge verlassen das Werk pro Tag.
Doch die komplexen Vorprodukte, bei denen der größte Teil der Wertschöpfung erfolgt, kommen nicht aus den USA. Die meisten Motoren werden aus Deutschland und Österreich importiert. So insbesondere Dieselmotoren aus dem BMW-Werk Steyr und Motoren für Benziner und Plug-in-Hybride aus dem Werk München. Die Getriebe kommen zu einem großen Teil von ZF aus Friedrichshafen.
Batteriezellen kommen aus Südkorea oder China (Samsung SDI, CATL oder EVE Energy). Die Zellen werden in Spartanburg im sogenannten Battery Assembly Center zu kompletten Hochvoltbatterien (also Batteriesystemen mit Gehäuse, Kühlung, Steuerung etc.) montiert. Das ist ähnlich wie bei einem Computer: Der Akku kommt als Bauteil, und BMW baut daraus ein einsatzfertiges System fürs Fahrzeug.
BMW hat angekündigt, in Zukunft auf rundum regionale Lieferketten zu setzen, vor allem im Kontext der US-Subventionen durch den Inflation Reduction Act (IRA). Dafür baut BMW ein neues Batteriewerk in South Carolina, in unmittelbarer Nähe zu Spartanburg. Dort sollen ab 2026 auch Batteriezellen produziert werden – für die neue „Neue Klasse” an E-Modellen.
Letztlich hat BMW das Apple-Modell aus Irland kopiert: Auch Apple schraubt für den europäischen Markt in Irland seine Produkte nur zusammen. Der Großteil der Wertschöpfung findet außerhalb Europas statt, dennoch kann Apple seine Produkte zollfrei innerhalb Europas als europäische Produkte verkaufen.
Wenn also Donald Trump und sein Team von unfairen Handelspraktiken sprechen, dann beziehen sie sich auf die Wertschöpfung. Deswegen wurden nicht nur Autos, sondern auch wesentliche Bauteile mit den 25% Zoll belegt. Nicht einfache Bauteile wie Karosserien, sondern die komplexen Teile, in denen die großen Gewinnmargen erzielt werden. Dabei ist es ihm egal, ob die Zölle europäische, asiatische oder sogar heimische Automobilhersteller treffen. Auch Ford und General Motors lassen Motoren im Ausland herstellen und führen sie derzeit zollfrei oder mit nur 2,5% Zoll ein. Nur Tesla fertigt seine Autos zu 100% in den USA.
Tatsächlich sind auf dem US-Markt 50% der verkauften Autos importiert. BMWs, die in Spartanburg gebaut werden, zählen nicht dazu. Doch wenn wir die im Ausland gefertigten Bauteile hinzurechnen, die von BMW, Ford und General Motors eingesetzt werden, kommen wir auf einen Anteil von 75% Importanteil am US-Automarkt. Selbstverschuldet oder nicht, ich kann nachvollziehen, dass die US-Amerikaner als Autonation und Heimat von Ford, mit dem das Auto für die Allgemeinheit zugänglich gemacht wurde, diese 75% als ungerecht empfinden.
Die USA betreiben zunehmend Geopolitik durch Handel – und das nicht subtil, sondern mit der Brechstange. BMW ist nur ein Beispiel, wie stark Unternehmen zwischen die Fronten geraten. Trump steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die längst breitere Zustimmung findet: Freihandel nur noch, wenn es den eigenen Interessen dient.
Europa wiederum scheint trotzig zu reagieren – ohne echten Plan. Während die USA durch Anreize und Standortvorteile industrielle Kapazitäten anziehen, betreibt Europa die Deindustrialisierung – teils durch ideologisch geprägte Klimapolitik, teils durch politische Trägheit.
Das größere Bild: Wir stehen an einem Scheideweg. Die transatlantische Beziehung ist angespannt, aber noch nicht zerrüttet. Es braucht Dialog auf Augenhöhe – nicht aus einer Haltung der Konfrontation, sondern mit klarem Blick auf die Zukunft. Wer Europa stärken will, muss realpolitisch denken und Industriepolitik strategisch gestalten. Nur dann können wir in der nächsten Verhandlungsrunde mit den USA selbstbewusst auftreten – als Partner, nicht als Bittsteller.
Für Anleger bleibt die Situation schwierig einzuschätzen. In dieser Phase des Kräftemessens sind die langfristigen Auswirkungen auf einzelne Unternehmen und Branchen noch nicht voll abschätzbar. Doch genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Wer strategisch flexibel und geopolitisch klug agiert, wird gestärkt aus dieser Zeit hervorgehen.
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